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#6 - Entdecke den Genussfaktor - Beitragsbild 1

Wenn jemand viel Zeit mit Diäten verbracht hat, dann könnte der ahnungslose Beobachter von außen meinen, dass der Genuss am Essen ja wohl nichts sein kann, was man ausdrücklich erwähnen müsste – geschweige denn einüben. Und sicherlich wird auch der eine oder andere Betroffene zunächst die Stirn in Falten legen und mit der Neigung kämpfen, dieses Prinzip als unnötig zu überspringen.

Doch bei genauer Betrachtung wird schnell deutlich, dass gerade wir, die wir uns jahre-, oft jahrzehntelang, nach Listen und Vorgaben ernährt haben, den entspannten Genuss einer Mahlzeit neu lernen müssen. Unter dem Einfluss von Ernährungsregeln schwingt die Essenserfahrung nämlich oft zwischen zwei Extremen.

Dieser Artikel ist Teil der Serie über die 10 Grundprinzipien der Intuitiven Ernährung. Hier findest du eine Übersicht über alle Prinzipien:
1- Ablegen der Diätmentalität
2- Hunger ernst nehmen
3- Friedensschluss mit dem Essen
4- Kampf gegen die Essenspolizei
5- Sättigung respektieren
6- Entdecke den Genussfaktor
7- Gefühle ohne Essen bewältigen
8- Respekt für den eigenen Körper
9- Bewegung ohne Kampf
10- Intuitive gesunde Ernährung

#6 - Entdecke den Genussfaktor - Beitragsbild 2

Auf der einen Seite stehen all die Dinge, die man essen soll, weil irgendwer sie als „gesund“ oder Teil des Ernährungsplans für gut befunden hat. Ob man sie mag oder nicht, steht dabei nicht wirklich zur Debatte. Am gegenüberliegenden Ufer angesiedelt ist das sehnsüchtige Schwelgen in schuldvollen Träumen von „wirklich leckeren“ Dingen: Alles, was man am liebsten ständig essen würde, aber aus Rücksicht auf die Taillenmaße meist zu vermeiden versucht.

Im Interesse der Gesundheit scheint also Genuss ganz klar den Kürzeren zu ziehen. Schön, wenn es (halbwegs) schmeckt, aber wichtiger ist, dass man sich gesund ernährt. Das heißt nicht, dass nährstoffreiche Dinge nicht lecker sein können, doch wirklich dekadenter Genuss wird wohl von den Wenigsten mit Gemüse assoziiert.

Die Macht des Genusses

Dabei ist der Genussfaktor einer Mahlzeit bei Weitem mehr als nur ein vernachlässigenswerter Teil unserer Biologie. Während Diätgurus und DGE darauf beharren, dass die Lebensmittel auf meinem Teller den entscheidenden Faktor für die Gesundheit darstellen, zeigt sich bei genauer Betrachtung ein ganz anderes Bild.

Die Art und Weise, wie ich esse, hat einen ganz entscheidenden Einfluss auf die Nährstoffaufnahme und meinen Stoffwechsel. Das nährstoffreichste Gericht bringt wenig Punkte, wenn es gehetzt, gestresst und ohne Genuss verzehrt wird. Das wurde in einer höchst interessanten Studie aus den 1970ern offensichtlich, in der die Eisenaufnahme aus der Nahrung bei Schwedinnen und Thailänderinnen untersucht wurde. Beiden Gruppen von Frauen wurden Gerichte mit exakt gleichem Eisengehalt serviert:

Zuerst bekamen sowohl die Nordeuropäerinnen als auch die Asiatinnen ein typisch thailändisches Essen, beim nächsten Mal wurden alle mit einem schwedischen Nationalgericht bekocht. Trotz des identischen Eisengehalts war die Eisenaufnahme deutlich geringer, wenn das fremde, unbekannte Gericht verzehrt wurde. Die Schwedinnen bevorzugten und genossen Köttbullar einfach mehr als das sehr scharfe Leibgericht ihrer asiatischen Gegenüber und umgekehrt.

Noch deutlicher wurde die Macht des Genusses im nächsten Schritt des Experiments, als jede Gruppe von Frauen einer Nationalität nochmals aufgeteilt wurde. Eine Hälfte erhielt wieder ihr Lieblingsgericht; die bedauernswerte zweite Hälfte erhielt das geliebte Mahl ebenfalls, jedoch erst nachdem es einen Zwischenstop im Mixer eingelegt hatte…

Überraschenderweise war die Eisenaufnahme bei den bemitleidenswerten Frauen aus der Babybrei-Gruppe deutlich geringer. Marc David, Gründer des Institute for the Psychology of Eating, spricht deshalb vom lebenswichtigen Vitamin P – Pleasure (Genuss). Dabei ist es keinesfalls übertrieben, von „lebenswichtig“ zu sprechen.

Jedes einzelne Mitglied einer Gruppe Ratten mit fehlendem Geschmackssinn starb schließlich an den Folgen von Unterernährung, obwohl sie die gleiche Nahrungsmenge verputzt hatte, wie die gesunde Kontrollgruppe. (Inwiefern in diesem Fall der chirurgische Eingriff zur Entfernung des Geschmackszentrums einen Einfluss auf die Sterblichkeit hatte, bleibt natürlich offen, doch man darf wohl zumindest von einer Bestätigung des Schweden-Thailands Ergebnisses ausgehen.)

Zudem ist echter Genuss aus einem weiteren, sehr simplen Grund nicht zu unterschätzen: Mit seiner Hilfe kann Sättigung besser wahrgenommen werden und es kann sich eine angenehme Zufriedenheit nach der Mahlzeit breitmachen. Wenn das Gehirn die Mahlzeit als genussvoll und befriedigend registrieren konnte, dann folgt ein Desinteresse an Lebensmitteln bis zum nächsten Hunger.

Stress und Genuss

Teil der physiologischen Stressreaktion im Körper ist die Ausschüttung von Adrenalin, Noradrenalin und schließlich eine erhöhte Cortisolkonzentration im Blut. Obwohl sicherlich zuallerst für solche Zwecke entworfen, setzt diese Reaktion jedoch nicht nur dann ein, wenn wir versuchen rechtzeitig die Bahn zur Arbeit zu erreichen oder ein auf die Straße laufendes Kind aufzuhalten. Jede dauerhafte negative Belastung, sei sie emotional, mental oder körperlich, sorgt in unterschiedlichem Ausmaß für diese chemische Stressreaktion in unserem Körper.

Neben einer Vielzahl von negativen gesundheitlichen Folgen* hat dieser Mechanismus eine entscheidende Auswirkung auf die Wahrnehmung von Genuss, da das Cortisol im Blut genießerisches Erleben reduziert. Das ergibt auch durchaus Sinn, wenn man vor dem Säbelzahntiger davon läuft und nicht von herumliegenden Leckerheiten abgelenkt werden sollte…

Für unseren Alltag in einer sensorisch überladenen Welt mit der Werkseinstellung „Hektik“ ist das jedoch ausgesprochen nachteilig. Sofern man nicht aktiv die Einstellungen so modifiziert, dass ein entstresstes Leben dabei herauskommt, läuft man meist automatisch im Hamsterrad mit.

Mit einem dadurch dauerhaft in Watte gepacktem Genussvermögen ist eine größere Menge an Lebensmitteln erforderlich, um den gleichen Genuss und schließlich Sättigung und Zufriedenheit zu erreichen. Aus diesem Grund sprechen viele Artikel hier bei Einfach mal essen das Thema Stressreduktion an, was neben einem entspannten Umgang mit dem Essen auch die Gesundheit fördert und mehr Lebensfreude mit sich bringt.

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Genießen lernen

Neben strategischen Maßnahmen zur generellen Entstressung und Entspannung im Alltag gibt es viele Wege, wie eine Mahlzeit zum vollen Genuss führen kann. Eine Grundvoraussetzung dafür ist natürlich, dass wirklich etwas auf dem Teller liegt, das man genießen kann – sprich: gern isst! Die vorhergehenden Prinzipien geben Hilfestellung dabei, dieser Frage nachzugehen. Wenn dich bei dieser Thematik noch Ängste plagen, dann findest du hier und hier Antworten auf die gängigsten Bedenken.

Praxis-Tipp: Wenn du vor dem Essen gestresst bist, nimm dir die Zeit für fünf tiefe, ruhige Atemzüge. Die tiefe Atmung schaltet die Stressreaktion in deinem Körper zurück und du kannst deine Mahlzeit nicht nur mehr genießen, sondern auch besser verstoffwechseln. Wenn du es vergessen hast, dann atme bewusst tief ein und aus, wann immer du dich daran erinnerst. Jedes bisschen weniger Stress zählt!

Der zweite entscheidende Schritt zu mehr Genuss ist die Gestaltung des Ambientes von Mahlzeiten. Damit man beim Essen genießerisch zur Ruhe kommen kann, muss auch die Umgebung diese Erfahrung möglichst unterstützen. Es ist schwer, bewusst und achtsam zu essen, wenn man mitten im Chaos sitzt oder von lautem Trubel umgeben ist.

Praxis-Tipp: Schließe die Augen und gehe in Gedanken die typischen Mahlzeitenszenarien deiner Woche durch. Welche dieser Situationen lösen bei dir Ruhe und Entspannung aus? Welche tun das nicht? Erstelle dir eine Liste mit Dingen, die dich beim Essen in Unruhe versetzen oder dir das Entspannen schwer machen. Wähle einen Punkt dieser Liste und überlege, wie er sich in konkreten Schritten zum Positiven verändern lässt. Versuche das im Laufe der nächsten Woche umzusetzen.

Natürlich ist es nicht unter allen Umständen möglich, jede Mahlzeit mit zen-gleicher Gelassenheit einzunehmen. Mit drei kleinen Quasselstrippen am Tisch bei so ziemlich jeder Mahlzeit weiß ich, wovon ich spreche… Aus diesem Grund entscheiden wir uns bewusst dafür, ein paar Abende in der Woche erst zu essen, wenn die Kinder im Bett sind. Wir sitzen trotzdem mit dem Nachwuchs am Tisch für das gemeinsame Erleben als Familie, doch wirklich genießen kann ich in dieser Lebensphase mein Essen erst, wenn die abendliche Ruhe eingekehrt ist.

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Der dritte Aspekt zu mehr Genuss am Essen ist die Wahrnehmung des eigentlichen Ablaufs. Möglichst langsam zu essen wird immer und überall empfohlen, doch ist (besonders in einer hektischen Umgebung) leichter gesagt als getan. Es gibt inzwischen Apps wie Time Your Bite (Android), die ab und zu helfen können, einen Bissen möglichst oft zu kauen. Das ist bekanntermaßen nicht nur für die Verdauung von Vorteil, sondern hilft auch, das Essen mehr zu genießen.

Experiment: Wähle dir eine Mahlzeit in der kommenden Woche, die ungestört und ganz in Ruhe für ein Experiment herhalten kann. Bereite dir dein Lieblingsessen vor und stelle sicher, dass du ausreichend hungrig bist. Schaffe eine beruhigende, schöne Atmosphäre.

Betrachte deine Mahlzeit auf dem Teller und nimm wahr, was dir daran gefällt, welcher Teil dich besonders anspricht und wovon du den ersten Bissen nehmen möchtest. Rieche und genieße ganz bewusst. Wenn du magst, versuche den Geruch aufzuschlüsseln – welche Zutaten oder Gewürze kannst du geruchlich erkennen?

Mit dem ersten Bissen erlaube dir, jedes Detail im Mund wahrzunehmen. Was empfindest du als angenehm? Was magst du am Mundgefühl dieses Essens? Welchen Geschmack nimmst du wahr? Welche Geräusche, angenehm oder unangenehm, produziert dieses Lebensmittel beim Kauen? Wie fühlt sich das Schlucken an?

Während du dich auf diese Weise durch deine Mahlzeit hindurch genießt, versuche Veränderungen deines Hungergefühls wahrzunehmen. Kannst du eine Änderung des Geschmacks mit einsetzender Sättigung wahrnehmen?

Beende die Mahlzeit, wenn du dazu bereit bist, und schließe die Augen. Wie gesättigt und zufrieden bist du? Fühlst du dich entspannt?

Natürlich ist dieser Ablauf nicht alltagstauglich und gänzlich unpraktisch für die allermeisten Mahlzeiten. Doch wann immer sich die Gelegenheit bietet, kann es dem Genuss auf die Sprünge helfen, sich auf einen der erwähnten Aspekte zu konzentrieren und ihn bewusst wahrzunehmen.

Es erfordert ein bisschen Training, während einer Mahlzeit ab und zu in sich hineinzuhören, sei es für die Sättigung, den Genuss oder zur Entspannung. Doch mit ein bisschen Übung lässt sich so auch Genuss in einer Mahlzeit in lauter Umgebung finden.

Wenn sich das für dich sehr aufwendig anhört, dann möchte ich nochmals hervorheben, dass ein Lernprozess nur am Beginn mehr Aufmerksamkeit für kleine Details erfordert. du musst nicht für den Rest deines Lebens bei jeder Mahlzeit jeden Bissen analysieren.

Vielmehr darfst du entdecken, wobei du dich wirklich wohlfühlst, was dir wirklich schmeckt, wie du wirklich gern isst und wie viel Genuss möglich ist.

*Die negativen gesundheitlichen Folgen von Stress treten nur ein, wenn er chronisch, also langfristig, besteht und jeweils keine adäquate Erholungspause ermöglicht wird. Aus diesem Grund ist Selbstfürsorge ein so wesentlicher Aspekt für körperliche und mentale Gesundheit.

Hier geht’s zum nächsten Prinzip.

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  1. Dieses Kapitel im „Intuitive Eating Workbook“ habe ich von allen bisherigen Kapiteln mit dem meisten Spaß „durchgearbeitet“. Auch mir fiel es anfangs nicht leicht, aber inzwischen habe ich einen ganz guten Trick wie ich Essen bekomme, das ich noch mehr genießen kann: Ich überlasse meinem Freund gerne mal die Würzung. Denn im Gegensatz zu mir hat er kein Problem damit, hier mal ein bisschen Sahne und da mal ein bisschen Käse unter das Essen zu mischen. Damit schmeckt das Essen am Ende besser und auch einfach interessanter als wenn es immer nur ich würze. 🙂
    Danke schön weiterhin für das fleissige Einstellen der vielen Artikel. Ich komme kaum hinterher.

    1. Liebe Susi,
      Vielen Dank für den tollen Hinweis! Das ist ein wirklich cleverer Trick, um aus den alten Mustern auszubrechen. Den finden bestimmt noch viele Leser hilfreich 🙂
      Alles Gute Dir weiterhin und danke fürs Lesen,
      Heidi

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