Body Positivity – darunter versteht man eine wohlwollende Sicht auf den eigenen Körper, auch wenn er nicht dem Schönheitsideal entspricht. Doch das ist gar nicht so einfach, denn wir werden täglich mit Botschaften bombardiert, wo wir noch Optimierungsbedarf haben. Eine endlose Zahl von Produkten wurde entwickelt, um von unserer Unsicherheit zu profitieren. Doch es geht auch anders – und dafür muss man kein Kilo weniger wiegen. Ich habe mich mit Body Positivity Coach Claudia Schubert unterhalten, welche Schritte du zu einer neuen, wohlwollenden Sicht auf deinen Körper noch heute gehen kannst.
Claudia und ich haben eins gemeinsam: Beide haben wir einen jahrzehntelangen Kampf mit dem eigenen Körper hinter uns. Dabei wurden Unmengen von Geld in Diätprodukte und spezielle Zutaten gesteckt und jede Menge Lebenszeit mit Ernährungs- und Sportprogrammen oder stundenlanger Rezeptsuche verballert. Alles mit dem Ziel, endlich schlanker, schöner, erfolgreicher, akzeptierter, „okayer“ zu sein.
Body Positivity in einem Nicht-Idealkörper
Doch wir haben noch etwas gemeinsam: Einen Aha-Moment, der uns auf neue Wege führte. Irgendwann kamen wir an den Punkt uns zu fragen, ob das jetzt wirklich für den Rest unseres Lebens so weiter gehen soll:
Will ich mich wirklich ständig nur um Ernährung und Sport, mein Aussehen und Gewicht oder die Kleidergröße drehen? Gibt es wirklich nichts Wichtigeres, dem ich meine Aufmerksamkeit in diesem Ausmaß widmen könnte?
Muss ich tatsächlich mit meinem Nicht-Idealkörper unzufrieden sein? Muss ich meinem Spiegelbild ständig mit Verachtung begegnen und kritisch jede Rolle, Delle und Falte unter die Lupe nehmen? Und muss ich wirklich ein bestimmtes Körpergewicht haben, um mich wohlfühlen zu können?
Beide haben wir all diese Fragen mit einem entschiedenen Nein! beantwortet und damit erste Schritte in ein völlig neues Lebensgefühl gewagt. Body Positivity war dafür ein entscheidender Aspekt. Wie auch du diese ersten Schritte hin zum Wohlfühlen in deine Körper gehen kannst, hat Claudia in unserem Gespräch aufgeschlüsselt. Hier findest du unsere gesamte Unterhaltung über die Hintergründe unseres Schönheitsideals als Podcast oder Video:
7 Schritte zu Body Positivity
Schritt #1 – Informieren
Wage dich aus der einseitigen Bubble heraus, in der Schönheit und Gesundheit untrennbar ans Gewicht gekoppelt sind. Informiere dich zum Beispiel über die Health at Every Size Bewegung. Hier wird darüber aufgeklärt, dass ein gesunder Lebensstil durch Bewegung, Stressabbau und gesunde, intuitive Ernährung die Gesundheitsmarker in JEDER Gewichtsklasse positiv beeinflusst. Und dafür kein Kilo abgenommen werden muss.
Teil dieses ersten Schrittes ist auch, Bücher und Artikel zu lesen, die auch die dunklen Hintergründe und Folgen des Schlankheitswahns betrachten. Vielleicht bemerkst du dabei, wie stark die historische Entwicklung und lebenslange fettfeindliche Beeinflussung auch dein Denken maßgeblich geformt hat. Halte dabei im Blick, dass du nichts dafür kannst. Die Vergangenheit kannst du nicht ändern – aber die Zukunft.
Schritt #2 – Sehgewohnheiten ändern
Räume deine soziale Medien auf und entfolge den Kanälen, die in dir ein schlechtes Gefühl über deinen Körper auslösen. Gleichzeitig kannst du das Potential sozialer Medien auch für die Entwicklung von mehr Body Positivity nutzen. Was in den Medien normalerweise ausgeklammert oder ausschließlich als abschreckendes Beispiel dargestellt wird, sind große Körper. Und die kannst du dir bewusst ins Blickfeld holen.
Ist das zunächst ungewohnt und vielleiht sogar unangenehm? Aber sowas von! Doch je mehr du dich einer großen Bandbreite an Körperformen aussetzt, umso normaler werden sie. Ich habe durch mutige Frauen auf Instagram gelernt, auch große Körper schön zu finden. Indem sie sich eben nicht verstecken oder verhüllen, sondern die Schönheit ihrer Nicht-Idealkörper in Szene setzen, konnte ich mein eigenes Körperbild heilen.
Schritt #3 – Gewichtsdiskriminierung bewusst machen
Leider ist in unserer Gesellschaft diese Form von Diskriminierung immer noch an der Tagesordnung. Das beginnt in der Darstellung großer Körper in den Medien – meist als kopfloser Körper, in grauem Licht oder als abschreckendes Vorher-Bild. Selten ist die Hauptrolle durch eine Frau im großen Körper besetzt. Wenn sie überhaupt vorkommen, dann bestenfalls als übergewichtige beste Freundin – oder gleich als Schreckschraube.
Die schlimmste Form von Gewichtsdiskriminierung findet jedoch im Gesundheitswesen statt. Patienten in großen Körpern erhalten weder den gleichen Respekt noch die gleiche Behandlung wie normgewichtige Mitmenschen. Viele Frauen und Männer in größeren Körpern werden durch ihre Ärzte so beschämt und als minderwertig behandelt, dass sie nur im äußersten Notfall einen Termin machen. Ist es da ein Wunder, dass „Übergewicht krank macht“? Es ist nur nicht das Gewicht selbst, sondern die Stigmatisierung, Diskriminierung und Falsch- bzw. Spätbehandlung, die mehrgewichtige Menschen erleiden müssen. Gepaart mit den negativen Folgen des unvermeidlichen Jojo-Effekts ist es wirklich nicht überraschend, dass ihre Gesundheit leidet.
All das wäre nicht halb so schlimm, wenn es eine nachweislich medizinisch sichere Methode zum langfristigen Gewichtsverlust gäbe. Doch die gibt es nun mal nicht. Im Gegenteil. Jeder auch ärztlich verordnete und medizinisch begleitete Abnehmversuch verschlechtert den Gesundheitszustand der meisten Patienten. Weil Gewichtsjojo gesundheitsschädlicher ist als ein stabiles Übergewicht.
Indem du dir über diese Situation Klarheit verschaffst, kannst du größeres Mitgefühl für dich und deinen Körper – aber auch für mehrgewichtige Mitmenschen entwickeln.
Body Positivity im Alltag
Schritt #4 Abgrenzung gegen Diätgespräche und Körperlästern
Ein entscheidender, aber nicht gerade einfacher Schritt ist, sich aus Diätgesprächen rauszuziehen. Hier hilft es, wenn du bereits gelernt hast, Grenzen zu setzen und auf deine Bedürfnisse zu achten. Wenn also deine Kollegin oder Freundin wieder über ihre neusten Erkenntnisse über schnellen Gewichtsverlust mit dir teilt, dann darfst freundlich, aber bestimmt sagen, dass du über etwas anderes sprechen möchtest. Oder du sagst nicht viel dazu und wechselst bei nächster Gelegenheit das Thema. Diese Option erfordert weniger Mut und bietet sich für alle an, die sich mit dem Grenzen setzen noch schwer tun. (PS: Du musst übrigens niemanden aufklären und überzeugen. „Missionieren“ funktioniert nur, wenn dein Gegenüber ehrlich mehr wissen will.)
Gleiches gilt für das unter Frauen so übliche Körperlästern. Seien es abwertende und kritische Kommentare über den „grässlichen Rettungsring“, die „furchtbar grauen Strähnchen“ oder die „schrecklichen Beine“, mit denen man angeblich nur lange Hosen und Röcke anziehen kann. Mit dazu gehört aber vor allem auch die Beurteilung der Körper anderer Leute – egal, ob in Gesellschaft oder in Gedanken.
Im Gegensatz zu Body Positivity gibt es keine Gewinner, wenn wir gegenseitig unsere Körper abwerten und kategorisieren. Es zeigt im Grunde nur die Unsicherheit über das eigene Aussehen und die eigene Person. Oft steht dahinter die stille Angst, dass man außer einem schön anzusehenden Körper nichts Bedeutendes zur Welt beizutragen hat.
Übrigens, das war auch für mich schwer und geht definitiv nicht von heute auf morgen. Doch du kann dich selbst stoppen, wenn du dich dabei ertappst.
Das kannst du für Body Positivity tun, wenn du dich bei der Beurteilung eines anderen Körpers ertappst:
- Versetze dich in die andere Person hinein und entwickle Mitgefühl – keiner hat sich ausgesucht, wie er aussieht oder was das Leben bringt.
- Finde etwas Schönes an dieser Person: das Lächeln, die Frisur, ihre Hilfsbereitschaft oder Warmherzigkeit. Wenn wir etwas Positives finden wollen, dann werden wir an jedem Menschen fündig.
Die gleichen Schritte lassen sich übrigens auch perfekt zur Anwendung bringen, wenn du mit deinem Spiegelbild haderst und dich bei einer Tirade von abwertenden Gedanken ertappst.
Schritt #5 – Body Positivity in der Sprache über den eigenen Körper
Body Positivity heißt nicht, dass alles rosarot ist und man völlig verliebt in jedes Detail des eigenen Körpers ist. Wie Claudia so hilfreich sagte: Die Beziehung zu unserem Körper ist wie die zu geliebten Menschen: Auch an denen gibt es Seiten, die uns nerven oder stören.
Wichtig ist hier jedoch, dass wir die störenden Aspekte nicht negativ oder herablassend ausdrücken (übrigens auch bei geliebten Mitmenschen eine gute Idee…😉). Hilfreicher ist es, negative Bewertung in eine neutrale Aussage umzuwandeln. Hier sind einige Beispiele, wie das neutrale Umformulieren aussehen kann:
- „Ich habe so hässliche Beine.“ ⟶ „Das sind meine Beine.“
- „Schrecklich, wie mein Schwabbelbauch aus der Hose quillt.“ ⟶ „Das ist mein Bauch, der sich gerade nicht so gut anfühlt.“
- „Ich hasse es, wie meine Oberarme in diesen Shirts aussehen.“ ⟶ „Auch wenn meine Arme nicht so aussehen, wie ich es mir wünschen würde, eignen sie sich doch prima für Umarmungen und alles, was ich so erledigen muss.“
Wichtig: Es geht nicht darum, alles unsagbar schön zu finden. Vielmehr ist das Ziel von Body Positivity, dem eigenen Körper (und dem anderer Menschen) mit Respekt zu begegnen.
Und weißt du, was Claudia tut, wenn sie mal morgens ihr Spiegelbild nicht so prickelnd findet? Sie zwinkert sich selbst mit einem Auge zu. Eine liebevolle Art, sich ein „Du bist trotzdem richtig, wie du bist.“ zuzuwerfen.
Schritt #6 – Komplimente nicht am Körper festmachen
Wir sind es alle so sehr gewohnt, dass ein Kompliment immer das Aussehen betrifft. „Du hast aber abgenommen!“ oder „Du siehst umwerfend aus!“ geben uns normalerweise einen Schub fürs Selbstbewusstsein.
Doch was wäre, wenn wir Komplimente nicht mehr so stark am Äußeren festmachen und stattdessen üben, andere Qualitäten eines Menschen in den Mittelpunkt zu rücken?
- „Du bist ansteckend mit deiner guten Laune.“
- „Mit dir zu arbeiten macht so viel Spaß.“
- „Mir geht’s immer richtig gut, wenn ich dich sehe.“
- „Dein Humor hat meinen Tag gerettet!“
Dieser neue Fokus scheint erstmal wenig mit Body Positivity zu tun zu haben. Doch er fördert gleich zwei Aspekte:
- Mein Gegenüber weiß, dass es auch mit Augenringen oder 3 Kilo mehr auf der Waage immer noch den gleichen Effekt auf mich haben kann.
- Wir erinnern uns alle daran, dass wir Menschen mehr sind als der Körper, mit dem wir durchs Leben gehen.
Ich weiß, es ist erstmal ungewohnt und erfordert teilweise richtig viel Arbeit. Doch die Mühe lohnt sich, für unsere Gesellschaft, unsere Kinder und auch für uns selbst. Wenn wir wissen, was uns unabhängig von unserem Äußeren wertvoll und wichtig macht, kann die Zahl auf der Waage leichter in den Hintergrund rücken.
Schritt #7 – Körperwahrnehmung stärken im Alltag
Die meisten Jahre meines Lebens lebte ich hauptsächlich im Kopf. Ich fühlte mich häufig wie „ein schwebender Kopf“, der durch den Alltag fliegt und bemerkte oft erst abends, wie es meinem müden Körper eigentlich geht.
Body Positivity lässt sich dadurch stärken, dass du tagsüber deine Körperwahrnehmung fokussierst. Also immer wieder mal mit deinem Bewusstsein „in den Körper rutschst“. Hier sind Ideen, wie das aussehen kann:
- tief ein und aus atmen
- ein kurzer Körperscan (also von Kopf bis Fuß in jeden Körperteil reinfühlen)
- ein Meditationsspaziergang, wobei du bewusst deinen Körper in allen Bewegungen wahrnimmst
Diese Übung hat noch einen weiteren Vorteil: Sie macht dir den Einstieg in die intuitive Ernährung deutlich leichter. Denn als „schwebender Kopf“ ist es schwer, die Bedürfnisse des eigenen Körpers wahrzunehmen – sei es Hunger, Sättigung, Ruhe oder Bewegung.
Du tust dir also in doppelter Hinsicht einen Gefallen, wenn du mit kleinen Mini-Achtsamkeitsübungen deinen Körper häufiger und besser wahrnimmst.
Body Positivity füllt keine Lücken
Wenn du den Ernährungswahnsinn und Körperkampf hinter dir lässt, dann bleibt eine Lücke zurück, die auch Body Positivity weder füllen kann noch soll. All die Zeit, die du in die Recherche von Rezepten, Diäten, Sportprogrammen und Meal Prep investiert hast, wird jetzt frei. Die entstehende Lücke ist deine Chance herauszufinden, was dir wichtig ist. Sonst kann das Vakuum so unangenehm werden, dass es dich zurück in die Welt des „Neue-Diät-Adrenalin-Kicks“ zieht. Hier sind Ideen, womit du die Lücke füllen kannst:
- ein neues Hobby
- eine neue Sportart ausprobieren (die Spaß macht!)
- einen Lebenstraum verwirklichen
- Selbstfürsorge priorisieren
- eine neue Leidenschaft verfolgen
- in ein Interessengebiet eintauchen
Body Positivity soll nicht dein neuer Lebensinhalt werden, sondern ist ein Werkzeug für die Befreiung vom Kampf mit dem Essen und deinem Körper. Wenn du zukünftig statt mit Körperverachtung und Diäten ständig mit den Feinheiten von intuitiver Ernährung und Body Positivity beschäftigt bist, dann hast du nur wenig gewonnen.
Deshalb ist mein Ziel für meine Klienten, dass Essen kein Thema mehr ist. Und mit diesen Schritten in Richtung Body Positivity legst du die beste Basis, dich in deinem Jetzt-Körper wohlzufühlen. Und zwar ohne dass auch nur ein Kilo von den Hüften rutscht.
Lust auf die volle Freiheit?
Dann lass dich von Claudia als Body Positivity Coach beraten oder melde dich für meinen kostenlosen Video-Einsteigerkurs „Intuitiv Essen in 7 Schritten“ an!
Die klaren und motivierenden Schritte fühlen sich an, als hätte man einen liebevollen Coach an seiner Seite. Danke für diese inspirierende Anleitung – ein wertvoller Leitfaden für mehr Selbstakzeptanz und Liebe zum eigenen Körper!
Lieben Gruß, Bea